„Durch den Corporate Carbon Footprint erkennen wir unsere wichtigsten Emissionstreiber und können daraus Maßnahmen ableiten.“
Bettina Moerth erläutert den CO2-Fußabdruck der Lufthansa Cargo für das Jahr 2022.
Seit 2012 erstellt Lufthansa Cargo regelmäßig ihren Corporate Carbon Footprint, also den CO2-Fußabdruck des gesamten unternehmerischen Handelns. Dieser ist nun erneut für das Kalenderjahr 2022 berechnet, und die Überprüfung und Bestätigung durch externe Berater für das Kalenderjahr abgeschlossen worden. Wie ermittelt man eigentlich so einen CO2-Fußabdruck? Wozu braucht man ihn? Und welche Schlüsse werden daraus gezogen? Auf all diese Fragen hat Bettina Moerth, Umweltmanagerin bei Lufthansa Cargo, Antworten gegeben.
Frau Moerth, was genau ist eigentlich der Corporate Carbon Footprint und wie setzt er sich zusammen?
Ein Corporate Carbon Footprint ist die Summe aller direkten und indirekten Klimagase, die durch die Aktivitäten eines Unternehmens verursacht werden. Eine solche Emissionsbilanz beinhaltet die Emissionen aus eigenen Fahrzeugen und Anlagen („Scope 1“) sowie die Emissionen aus eingekaufter Energie wie Strom und Wärme („Scope 2“). Vollständig wird die Bilanz durch die sogenannten Scope 3 Emissionen, also die Emissionen aller vor- und nachgelagerten Bereiche der Wertschöpfungskette, auch unter Einbezug unserer Tochtergesellschaften.
Also muss man sich das so vorstellen, dass bei der Berechnung des Corporate Carbon Footprint am Ende eine Gesamtsumme an CO2-Emissionen herauskommt? Welche Emissionen werden dabei abgebildet? Und wie ermittelt man das?
Ja genau, am Ende steht eine Zahl von 5,34 Mio. t CO2e für das Jahr 2022. Das kleine e steht für CO2-Äquivalente, weil nicht nur CO2-Emissionen betrachtet werden, sondern auch die anderen im Kyoto-Protokoll gelisteten Treibhausgase wie Methan oder Lachgas. Für die Berechnung richten wir uns nach dem weltweit anerkannten Standard, dem sogenannten Greenhouse Gas Protocol. Am Anfang steht die Datenermittlung sämtlicher Verbräuche und Umweltauswirkungen – vom Kerosinverbrauch auf sämtlichen Plattformen über Energieverbräuche, eingekaufte Lademittel/-hilfsmittel bis hin zu Abfallmengen. Für jedes Material bzw. jede Umweltauswirkung existieren Emissionsfaktoren, die die Umweltauswirkungen bei der Herstellung, beim Transport und bei der Entsorgung entsprechend mitberücksichtigen. Multipliziert man diese mit den Verbräuchen und addiert alles zusammen, bekommt man am Ende so die oben genannte Zahl.
Wozu macht man sich diese Arbeit? Es gibt ja keine Verpflichtung für Unternehmen, diesen CO2-Fußabdruck zu erheben, oder?
Nein, es gibt keine gesetzliche Verpflichtung, einen Corporate Carbon Footprint zu ermitteln. Wir sehen es aber als Teil unserer unternehmerischen Verantwortung, für Transparenz über unsere Umweltauswirkung zu sorgen. Darüber hinaus gibt es noch weitere sehr gute Gründe, warum wir ihn erstellen:
1. Nachhaltigkeitskriterien werden immer wichtiger für Investoren. Wir nehmen mit unseren Daten aus dem Carbon Footprint zusammen mit dem Konzern am Ranking des Carbon Disclosure Project (CDP) teil. Die Transparenz, die wir damit schaffen, zeigt unsere Verantwortung, unsere Glaubwürdigkeit und unsere Authentizität.
2. Intern ergibt sich der Nutzen aus der Devise, frei nach Peter Drucker: „Ich kann nur etwas verbessern, was ich auch messen kann.“ Wir bekommen durch den Carbon Footprint einen tieferen und weiteren Blick auf unsere wichtigsten Emissionstreiber und erkennen klarer, wo wir mit effektiven und kosteneffizienten Reduktionsmaßnahmen ansetzen können.
Wie bewerten Sie denn das aktuelle Ergebnis im Vergleich zum vorherigen Carbon Footprint in 2020? Können Sie das für uns ein wenig einordnen?
Klassischerweise stellt man dann seine Umweltauswirkungen entsprechend den Scopes dar. Die erste Erkenntnis ist, dass gut ein Viertel unserer Emissionen direkt von uns durch unsere Frachter- und operative PKW-Flotte verursacht wird (Scope 1); weniger als 1 % entsteht durch den Einkauf von Energie (Scope 2) und knapp drei Viertel unserer Emissionen werden entlang unserer Wertschöpfungskette verursacht (Scope 3).
Vergleicht man hier im Detail, sind im Vergleich zu 2020 unsere Scope 1 in um 8% reduziert und Scope 3 um 20% erhöht. Die Reduzierung der Scope 1 Emissionen unserer eigenen Frachterflotte in 2022 darf man zu einem Teil der gesteigerten Effizienz durch unseren Flottenrollover und Fuel-Efficiency Maßnahmen wie AeroSHARK-Modifikation zurechnen. Aber hauptsächlich spiegelt sich hier die Auswirkung der COVID-Pandemie im Detail wider und zwar die höhere Nutzung unserer Frachter (inklusive MD11) und nicht zur Verfügung stehenden Belly-Kapazitäten (Scope 3) während der Pandemie in 2020. Dagegen haben sich die Belly-Flüge in 2022 langsam wieder auf Vor-Pandemie-Niveau zubewegt und entsprechend haben die Scope 3 Emission bedeutend zugenommen.
Wenn man die Ergebnisse in der folgenden Grafik genauer betrachten, fällt auf, dass 99 % unserer CO2-Emissionen durch den Flugbetrieb und Kerosinverbrauch entstehen. Was verbirgt sich hinter dem Rest?
Genau, als Fluggesellschaft haben wir uns entschieden, eine andere Darstellungsform zu wählen. Und zwar differenziert nach „Welche Emissionen sind ‚flugbezogen‘?“ und „Welche restlichen Emissionen kann man grob ‚am Boden‘ verorten?“. Und da kommen wir zu der Erkenntnis, dass eben gut 99 % flugbezogen sind.
Aber auch am Boden verursachen wir Emissionen durch den Energieverbrauch für Haustechnik, Fördertechnik und Cloudnutzung oder Herstellung unserer Lade- und Betriebsmittel oder Behandlung unserer Abfälle. Unsere Menge von 52.544 t CO2e ist vergleichbar zu der Menge, die eine deutsche Großbank an Emissionen aufführt.
Es besteht daher großes Potenzial, Umweltauswirkungen auch am Boden zu reduzieren – sichtbar für alle Mitarbeitenden. Vor allem können alle durch ihr Verhalten und Engagement dazu beitragen. Jeder Schritt zählt.
Zum ersten Mal sind Posten hervorgehoben hoben. Was hat es damit auf sich?
Wir wollen noch mehr Transparenz schaffen, indem wir zum ersten Mal sowohl Posten „Nachhaltige Flugkraftstoffe/Sustainable Aviation Fuel (SAF)“ ausweisen, als auch die weiteren Posten, die wir bisher schon durch Grünstromzertifikate oder durch einen Beitrag in hochwertige Klimaschutzprojekte ausgleichen.
Hierzu zwei Hinweise:
Den Anteil von 0,54% an SAF, den wir hier in 2022 ausweisen, ist der Anteil an den gesamten unternehmensweiten CO2e Emissionen. Setzt man das eingesetzte SAF ins Verhältnis zu dem eingesetzten fossilen Kerosin unserer Langstreckenfrachter, lag dieser bei 2,1%.
Dann ist im Moment im Greenhouse Gas Protocol vieles noch nicht oder nicht einheitlich geregelt. Zum Beispiel unser eingesetztes SAF, das für uns ein bedeutsames Mittel zur Reduktion der flugbezogenen Emissionen ist, können wir ausweisen, aber derzeit noch nicht von unserer unternehmenseigenen CO2e -Bilanz abziehen. Dagegen sieht das Greenhouse Gas Protocol vor, dass Stromverbräuche, die durch Grünstromzertifikate ausgeglichen sind, nicht mehr bilanziert werden, also auf 0 gesetzt sind. Daher sind von fast allen unseren deutschen Stationen die Stromverbräuche bzw die CO2e Emissionen von 30.843t in Scope 2 mengenmäßig im Carbon Footprint abgezogen.
Hier werden die Berechnungsstandards Anpassungen durchführen müssen.
Und wie geht es nun weiter? Leiten Sie aus den Ergebnissen Maßnahmen ab?
Den Carbon Footrpint zu erstellen und zu kommunizieren ist Standard geworden, aber zusammen mit der Lufthansa Group unterliegt er ständiger Änderung, entweder weil wir neue Erkenntnisse gewinnen (z.B. Berücksichtigung von Cloudnutzung) oder wie bereits erwähnt, weil sich die Berechnungsstandards ändern (z.B. Bilanzierung von SAF).
Grundsätzlich stehen unsere eigenen Scope 1 und Scope 2 Emissionen im Fokus, weil wir darauf durch Ziele und Maßnahmen wie Flotteneffizienz und Sustainable Aviation Fuel sowie Energieeffizienz am Boden selbst Einfluss nehmen können. Scope 3 Emissionen lassen sich mehr und mehr über die Vertragsgestaltung mit Lieferanten oder eigene Richtlinien steuern. Eine ganz wichtige Funktion hat aber am Ende der Carbon Footprint für uns, und zwar als Nachweis in der Zukunft, dass unsere Maßnahmen auch greifen und unsere Umweltauswirkungen immer kleiner werden.