
Go West, Alfred!
Commodity Forwarders Inc. (CFI) ist am Flughafen Los Angeles einer von fünf großen Logistikern für Perishables. Gegründet wurde das Unternehmen von dem umtriebigen Alfred P. Kuehlewind. Sein Erfolgsrezept: kümmern, kümmern, kümmern – und jeden Teil der Kühlkette von kompetenten Partnern betreuen lassen.

Mit Erdbeeren fing alles an. Alfred P. Kuehlewind war einer der Ersten, der dafür sorgte, dass in Deutschland auch außerhalb der Saison frische Erdbeeren auf den Tisch kamen – kalifornische Erdbeeren. Das war in den Siebzigern. Heute ist der Selfmademan aus Bremerhaven der größte Perishables-Logistiker am Los Angeles International Airport.
Seine Firma Commodity Forwarders Inc. (CFI) hat in diesem Segment rund 50 Prozent Marktanteil am Standort L.A. und ist der örtliche Repräsentant von Hellmann Perishables Logistics (hpl). Überdies betreibt das Unternehmen kleinere Niederlassungen in Anchorage, Seattle, Orlando, Miami, San Francisco, Hawaii und New York (JFK).
24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche sind die CFI-Mitarbeiter für ihre Kunden da, schicken Obst, Gemüse oder Fisch auf die Reise – oder führen frische Delikatessen ein. „Nur Heiligabend und Silvester machen wir für jeweils zehn Stunden dicht“, erzählt Kuehlewind, dessen Name so gut passt zu seinem Geschäft: das Verschicken gekühlter Sendungen per Luftfracht.

Die nahezu immerwährende Präsenz ist unverzichtbar. Wer mit Perishables sein Geld verdient, muss Chancen nutzen, wann immer sie sich bieten. Bis mittags leeren sich die Kühlhäuser von CFI am Cienega Boulevard in der Nähe des Flughafens von L.A., ab 22 Uhr füllen sie sich wieder – tagein, tagaus.
„Kein Geschäft ist so schnelldrehend wie unseres. Kein Tag ist wie der andere“, weiß der CEO aus jahrzehntelanger Erfahrung und lacht: „Man hasst es oder man liebt es!“

Zurzeit ist Spargelsaison. Bevor das Edelgemüse in den Versand geht, wird es auf Qualität geprüft. CFI mailt nach dem Eingang der Ware Fotografien an den Importeur, damit der die Sendung im Zweifelsfall noch ablehnen kann. „Etwa die Hälfte der Gesamtkosten für das Produkt entfallen auf den Transport“, berichtet Kuehlewind. „Da ist es besser, sicherzugehen, dass der Importeur die Ware auch wirklich abnehmen wird.“

Erfreulich hat sich zuletzt die Nachfrage nach Feinkost im Mittleren Osten und Europa entwickelt: CFI exportiert Käse, Wurst, Seafood. Nach dem wichtigsten Markt Großbritannien rangiert die arabische Welt mittlerweile auf Rang zwei, gefolgt von Japan und Australien.
Erdbeeren erleben aktuell ein kleines Comeback. Immer wichtiger werden auch ökologisch einwandfreie Produkte, etwa Bio-Spinat. Der muss geflogen werden, weil die Produzenten natürlich keine Konservierungsstoffe einsetzen dürfen. Aber auch um Salat, Gemüsezwiebeln, Blaubeeren, Himbeeren, Brombeeren, Weintrauben, Kirschen, Johannisbeeren, Ananas und alle Arten von Fisch kümmert sich CFI.

„Kümmern“ ist dabei genau das richtige Wort, findet Kuehlewind: „Es geht für uns nicht nur um den Transport. Wir koordinieren die Exporteure hier in Kalifornien und die Importeure in den Zielmärkten“, erzählt er.
„Die Saison bei Alaska-Heilbutt zum Beispiel dauert manchmal nur 24 Stunden. Da gibt es keine Anlaufzeit. Alles muss klappen wie am Schnürchen. Oder beim grünen Spargel: Da geht es um drei Millionen Dollar in ein paar Wochen. Wenn am Anfang etwas schiefgeht, hat man 300.000 Dollar verloren, bevor auch nur die erste Rechnung geschrieben ist.“
Die CFI-Manager sind deswegen viel unterwegs. Sie schauen sich immer beide Seiten der Kühlkette genau an. „Man muss den Menschen, mit denen man es zu tun hat, einmal in die Augen blicken. Dann kann man auch heute noch ein Geschäft per Handschlag machen“, weiß Alfred P. Kuehlewind.

Aber nicht nur die beiden Enden der Lieferkette müssen sicher sein, auch der Transport dazwischen. Hier vertraut CFI der Lufthansa Cargo, die rund zehn Prozent aller CFI-Luftfrachtsendungen befördert: „Was das Geschäft mit dem Mittleren Osten betrifft, ist Frankfurt unsere wichtigste Drehscheibe und der Frachter der Lufthansa Cargo unser wichtigstes Transportmittel“, erzählt Kuehlewind.
„Jeder unserer Kunden möchte wissen, auf welchem Flugzeug welcher Airline sich seine Sendung befindet. Sonst können diese Leute nicht ruhig schlafen. Bei Lufthansa Cargo fühlen sich unsere Kunden sicher.“
Das liegt vor allem daran, dass hier nur erfahrene, verantwortungsvolle Fachleute arbeiten, die den Umgang mit den sensiblen Sendungen kennen und wissen, dass Wärme möglichst zu vermeiden ist. „Die meisten Perishables sind zwischen ein und sieben Grad Celsius am haltbarsten. Aber sie sind in der Regel leider nicht so wertvoll, dass sich eine Verschiffung mit einem Unicooler auszahlen würde“, so Kuehlewind.

Deshalb behilft sich CFI mit Styroporverpackungen und Eis oder sogenannten Thermoblankets, in die fast alle Sendungen eingeschlagen werden.
Export ist ganz klar das Kerngeschäft für CFI, aber auch der Import hat seine Bedeutung. Was gerade woher ex- oder importiert wird – das hängt vom Wetter, von der Saison, aber auch vom Dollarkurs ab. Zurzeit boomt bei CFI der Export, weil der Dollar schwächelt, im Import ist für die Kalifornier bei weitem nicht so viel Geld zu verdienen. Dennoch pflegt CFI dieses Geschäft. „Es macht uns unabhängiger von Währungsschwankungen“, sagt Kuehlewind.
Als der Dollar Anfang der 80er-Jahre durch Carters Hochzinspolitik zu einem einmaligen Höhenflug ansetzte, gab es für seine Firma fast nichts mehr zu exportieren. „Mein Geschäft ging um 75 Prozent zurück“, erinnert sich der Chef. „Ich wollte danach unbedingt ein zweites Standbein haben, und so haben wir angefangen, das Importgeschäft zu kultivieren.“

Die Einfuhr von Früchten, zum Beispiel aus Chile, ist heute gerade im Winter, wenn in Kalifornien wenig wächst, wichtig, um die laufenden Kosten zu decken – etwa für Personal oder für die drei Kühlhäuser, die allein jeden Monat für 15.000 Dollar Strom verbrauchen.
„Die Konsumenten haben sich einfach daran gewöhnt, zu jeder Jahreszeit jedes Produkt kaufen zu können. Das ist in den USA genau wie in Europa“, erklärt Kuehlewind. Wenn dann aber die warme Jahreszeit in Kalifornien anbricht, sind die Erträge hier und im benachbarten Mexiko, für das L.A. als Gateway fungiert, in der Regel sehr gut – und der Export steigt sprunghaft an.

Kalifornien ist zwar vor allem als Medien- und IT-Standort bekannt. Aber die Landwirtschaft ist nach der Medienbranche der Wirtschaftszweig Nummer 2 an der Westküste. „Noch vor IT und Militär“, betont Kuehlewind. „Das führt dazu, dass es hier die innovativsten landwirtschaftlichen Forschungsinstitute gibt. Bei der Zucht von neuen Sorten sind wir dem Rest der Welt zum Beispiel bei den Weintrauben um fünf Jahre voraus.“
Die Kornkammer der USA ist das San Joaquin Valley, das von Bakersfield bis Sacramento reicht. Der Großteil des amerikanischen Obstes und Gemüses kommt von hier. „Die meisten kalifornischen Agrarproduzenten konzentrieren sich auf den US-Markt, Luftfracht interessiert sie eigentlich gar nicht so besonders“, erzählt Kuehlewind. „Wenn wir es aber geschickt anstellen und die Lieferkette zuverlässig aufziehen, dann geben wir ihnen die Möglichkeit, mit dem Export ihrer Produkte auf dem Weg der Luftfracht ein paar sehr gute Extra-Dollar zu verdienen.“

Dies alles zu organisieren will Kuehlewind jetzt allmählich anderen überlassen. Seit über 40 Jahren ist er in Kalifornien aktiv. Sein Interesse an den USA hatte sich schon in der alten Heimat entwickelt, als er in Bremerhaven für die US-Navy arbeitete. Als Praktikant kam er Anfang der Sechziger erstmals nach Kalifornien, importierte VWs, kehrte dann allerdings zwischenzeitlich nach Deutschland zurück. „Aber ich habe Frankfurt mit L. A. verglichen, und das Ergebnis hat nicht gerade für Frankfurt gesprochen.“
Kuehlewind behält zwar den Posten des CEO, übergibt die Führung 2007 jedoch an sein Managementteam. „Das operative Geschäft haben ohnehin schon jüngere Leute übernommen, die vieles besser können“, sagt er bescheiden und deutet mit gekräuselter Stirn auf die vielen Computer im CFI-Büro.
Mittlerweile verbringt er mehrere Monate im Jahr in seinem Haus in Hawaii. Bald will sich der 67-Jährige ganz dorthin zurückziehen.
Aber seine Leidenschaft fürs Geschäft wird ihn auch hier nicht verlassen: „Hawaii ist ein interessanter Markt. Durch die Touristen und das Militär ist der Konsum groß. Viele Produkte des täglichen Bedarfs können aufgrund des tropischen Klimas nicht angebaut werden. Unser Geschäft hat mit Blumen angefangen. Jetzt importieren wir bereits eine Menge vom Festland: Obst, Gemüse, Kräuter.“ Und wer Kuehlewind einmal kennengelernt hat, weiß, dass es dabei nicht bleiben wird. Wie war das noch? „Man hasst es oder man liebt es!“
Photos:
Tobias Everke
planet 3/2007
Kuehlewind behält zwar den Posten des CEO, übergibt die Führung 2007 jedoch an sein Managementteam. „Das operative Geschäft haben ohnehin schon jüngere Leute übernommen, die vieles besser können“, sagt er bescheiden und deutet mit gekräuselter Stirn auf die vielen Computer im CFI-Büro. Mittlerweile verbringt er mehrere Monate im Jahr in seinem Haus in Hawaii. Bald will sich der 67-Jährige ganz dorthin zurückziehen. |
Aber seine Leidenschaft fürs Geschäft wird ihn auch hier nicht verlassen: „Hawaii ist ein interessanter Markt. Durch die Touristen und das Militär ist der Konsum groß. Viele Produkte des täglichen Bedarfs können aufgrund des tropischen Klimas nicht angebaut werden. Unser Geschäft hat mit Blumen angefangen. Jetzt importieren wir bereits eine Menge vom Festland: Obst, Gemüse, Kräuter.“ Und wer Kuehlewind einmal kennengelernt hat, weiß, dass es dabei nicht bleiben wird. Wie war das noch? „Man hasst es oder man liebt es!“ |
Photos:
Tobias Everke
planet 3/2007